Harry Vinckenbosch (1913 -

 

Für seine zwei Ausbrüche aus einem Gefangenenlager wurde Harry Vinckenbosch als „Ritter im Orden von Leopold III.“ ausgezeichnet. In der Verleihungsurkunde heißt es: „Ihm ist es bei mehreren Versuchen zweimal gelungen, aus seinem Lager auszubrechen.“

 

Das besagte Lager, aus dem Vinckenbosch zweimal ausbrechen konnte, war das

Offiziersgefangenenlager in Rotenburg, in das er im Juni 1940 gekommen war.

Am 28. Januar 1942 wurde er als bad boy in das Lager Colditz eingewiesen. Im Juli 1943 wurde er nach Lübeck verlegt.

 

Nach kurzem Zwischenaufenthalt in Fischbeck bei Hamburg kam er im September 1943 nach Prenzlau (Brandenburg), wo er bis zu seiner Befreiung 1945 blieb. 1966 ging er als Oberst in den Ruhestand. Als Privatmann machte er sich als Kunstsammler einen Namen.

 

In der Nacht vom 9. zum 10. August 1941 drang er aus dem Rotenburger Lager in der Jakob-Grimm-Schule in das Dachgeschoss des Lehrerwohnhauses ein. Dort landete er im Schlafzimmer und ließ sich nicht daran hindern, durch die Wohnung in das Treppenhaus vorzudringen. Von hier gelang ihm die Flucht ins Freie. Immerhin schaffte er es bis in die Nähe der benachbarten Kreisstadt Ziegenhain, 35 km Luftlinie von Rotenburg entfernt. Dort machte er am 10. August 1941 für einen Tag Bekanntschaft mit dem Stalag IX A, in dem Kriegsgefangene mit Mannschaftsdienstgraden und Unteroffiziere untergebracht waren.

 

Am 12. August 1941 trat er in Rotenburg eine einmonatige Einzelhaft an, die laut Genfer Konvention von 1929 bei Lagerausbrüchen als Disziplinarmaßnahme verhängt werden kann – dem Wortlaut der Genfer Vereinbarung nach hätten es jedoch nur höchstens 28 Tage sein dürfen. Noch im gleichen Jahr, am 31. Dezember 1941, unternahm Leutnant Vinckenbosch einen neuen Versuch, diesmal über den Dachboden. Er kam zwar aus dem für die Gefangenen eingerichteten Teil der Jakob-Grimm-Schule heraus, wurde aber noch unter dem Dach im deutschen Lagerbereich geschnappt. Für die Schäden, die er bei seinen Fluchtaktionen angerichtet hatte, wurde ihm eine saftige Rechnung vorgelegt:

 

Eine zertrümmerte Mauer instandgesetzt 35,-- RM

4 beschädigte Türen mit neuen Schlössern versehen 30,-- RM

Einbau von zwei Sicherheitsschlössern 15,-- RM

insgesamt: 80,-- RM

 

Über Vinckenboschs Rotenburger Aktionen sind wir aus den Berichten des belgischen Leutnants José Verkest (1973 Oberst der Reserve) informiert, eines Colditzer Mitgefangenen (abgedruckt in dem Buch „Krijgsgevangen!“ von D. Pontzeele, 1998, S. 71).

 

Auch der Rotenburger Lagerfeldwebel Heinrich Sultan erinnerte sich (1966) an H. Vinckenboschs Ausbruch:

„Da ist zum Beispiel einer in der obersten Wohnung des Wohnhauses neben der Schule bei den Schmolls durch das Schlafzimmer des Nachts durchgegangen. […] Morgens früh fehlte einer beim Zählappell. […]  Da wurde ein Hund auf die Spur gesetzt. Er war durch den Direktorgarten hindurch und oben hinaus über den Ema-Uelsberg geflohen. Am Höberück hat der Hund die Spur verloren.“